Eigentlich interessieren sich aber alle nur für den Preis, der Rest rückt in den Hintergrund. Und dann wirst du nur für den letzten Schliff gebucht, darfst gefühlt nur noch die Farbe und das Muster aussuchen. Dabei müsste man uns Designer schon viel früher in solche Entwicklungsprozesse einbinden. Immerhin erkennen wir bestimmte Probleme schon sehr früh. Da kommt der Cross Innovation Hub ins Spiel: Weil andere die Steuerungsaspekte übernehmen, den kreativen Prozess erklären und moderieren, können wir Kreative uns voll und ganz auf das Inhaltliche konzentrieren.
Keun: Aus unternehmerischer Sicht fand ich diese strukturierte Begleitung auch sehr hilfreich. Den anderen Partnerunternehmen und mir hat es sehr geholfen zu sehen, wie genau die beteiligten Kreativen im Vorfeld nach ihren individuellen Kompetenzen und Stärken ausgewählt wurden, damit sie uns auch wirklich helfen können. Etwas gewöhnungsbedürftiger war dann der Innovationsprozess als solcher: Dass man in den einzelnen Phasen abwechselnd die Gedanken komplett öffnet, um nicht nur in der eigenen Nische zu denken, und sich dann wieder auf einen Teilaspekt fokussiert, das war schon eine gewisse Herausforderung – gerade für unsere Partner von Autoflug, die sich auf Flugzeugsitze spezialisiert haben, und sich auf einmal mit ganz anderen Teilen der Kabinenausstattung beschäftigen mussten. Wir mussten teilweise unser ganzes Fachwissen ausblenden, um nicht voreingenommen zu sein und so alternative Ansätze zu finden.
Mends-Cole: Das ist ja genau das Spannende an so einem Kreativprozess: Dass man eben nicht weiß, wo er hinführt. Nicht das Ziel ist definiert, sondern der Weg.
Keun: Trotzdem ein schräges Gefühl. Wir Ingenieur*innen bekommen ja meistens ganz konkrete Spezifikationen und versuchen dann auf dem kürzesten Weg die günstigste und einfachste Lösung zu finden. Beim Cross Innovation Lab lief das ganz anders. Dabei ging es ja um ein Problem, das wir noch nicht einmal kannten. Aber auch da hat der starke Input von außen geholfen. Immer wieder wurden nämlich andere Kreative aus dem Cross Innovation Hub hinzugezogen. Die haben uns viele weitere Richtungen aufgezeigt, in die man noch denken könnte. Zum Beispiel hat die Filmemacherin Claudia Rinke, die die gesamte Customer Journey um das FAIRCRAFT herum entwickelt, die Geschichte um unsere fiktiven Passagiere Holger Kraft und Charlotte Business geschrieben. Auch wenn wir immer noch sehr auf die technische Umsetzung fokussiert sind, hilft uns diese Perspektive doch immer wieder dabei, die Bedürfnisse der Passagiere im Blick zu behalten.
Welche Schlüsselkompetenzen oder Rahmenbedingungen braucht es, damit solche Entwicklungsprozesse mit unterschiedlichen Beteiligten auch wirklich erfolgreich sind?
Mends-Cole: Ganz grundsätzlich müssten mehr Entscheider*innen wie Christian an solchen Workshops, Labs oder ähnlichen Formaten teilnehmen. Es geht hier immerhin um Lösungen, die wirklich zukunftsweisend sind, in denen echtes Potenzial steckt und von denen Unternehmen wirklich profitieren können. Die Entscheidung, ob zum Beispiel ein Produkt dann auch wirklich weiterentwickelt und auf den Markt gebracht wird, können Angestellte niemals treffen.
Keun: Das würde aber bedeuten, dass gerade mittelständische und große Unternehmen von solchen Prozessen ausgeschlossen sind. Bei denen ist es ja sehr schwierig, dass die Hauptverantwortlichen immer für solche Workshops verfügbar sind…
Mends-Cole: … aber vielleicht ist das genau die Erklärung für die Flaute, die wir gerade in Deutschland erleben. Innovation ist doch eigentlich Chefsache. Man findet aber kaum noch Entscheider*innen, auch nicht in den mittleren Führungsebenen, die an Programmen wie dem Cross Innovation Hub teilnehmen. Andere Dinge sind anscheinend oft wichtiger.
Keun: Das stimmt. Da braucht es schon sehr viel Überzeugungskraft. Vielleicht würde es da helfen, dass sich Unternehmen vermehrt in Clustern zusammenschließen, so wie wir es gemacht haben. Beim FAIRCRAFT waren es sieben Unternehmen, die ein ähnliches Problem lösen wollten, aber aus völlig unterschiedlichen Perspektiven und mit völlig individuellen Ambitionen. Wahrscheinlich braucht es viele Parteien, um so eine Innovation zum Fliegen zu bringen.