Sie bemängeln oft die fehlende Neugier des Einzelnen und damit den Wunsch, Dinge zu verändern und neu zu schaffen. Warum ist uns diese Fähigkeit abhandengekommen?
Neugierde ist eine biologische Konstante. Alle Lebewesen haben Neugierde in sich – weil sie lernen müssen, sich an ihre Umwelt anzupassen. Menschliche Neugierde heißt, ich suche nach Verbesserungen für meinen Zustand. Das machen wir unentwegt, bewusst oder unbewusst. Wenn ich aber einen Menschen ständig bestrafe, weil er neugierig ist, dann passiert irgendwann nichts mehr. Menschen im Jobgefüge, die unbequeme Fragen stellen, Dinge hinterfragen und den routinierten Ablauf stören: Die werden ruhiggestellt – degradiert, nicht befördert. Dann ist es mit der Neugier schwierig, weil sie auf ein Minimum reduziert wird. Und irgendwann fällt uns nichts mehr ein. Wenn wir das Fragen, das Stören, bestrafen, dann sind wir als Gesellschaft tot.
Inzwischen scheint die „alte“ Wirtschaft aufgewacht zu sein – es werden Business Development Abteilungen geschaffen, Innovations- und Transformationsmanager*innen eingestellt. Glauben Sie, dass das funktioniert?
Es funktioniert nachweislich nicht. Diese Jobs entstehen, wenn versucht wird, Innovationen und Neugierde zu systematisieren. Tatsächlich ist vor allem gefragt, zu experimentieren, nachzufragen, Fehler zu machen und es wieder zu versuchen. Also eigentlich die klassische Methode der Wissenschaft und auch der Kunst: Wir probieren, wir lernen, wir bleiben bei der Sache. Aber das sind völlig andere Strukturen als diese No-Fail-Strukturen in der Industrie, denen solche Abteilungen und Manager oft unterstellt sind. Dort geht es eigentlich immer nur darum, einen bestimmten Prozess so zu optimieren, dass es nicht besser geht – aber es geht immer besser. Kreative wissen: Es gibt nichts, was nicht besser oder anders geht.