Initiativen derHamburg Kreativ Gesellschaft

Wo bleiben die Leute, Oetinger, Goodgame Studios und Mutabor?

Der allgegenwärtige Fachkräftemangel treibt auch die Kreativindustrie um. Wir haben bei einer Agentur, einem Verlag und einem Games-Studio nachgefragt, wie sie um Nachwuchs und Expert*innen werben. Das Credo: Arbeitgeber*innen stehen in einem immer schärferen Wettbewerb.

Wo bleiben die Leute, Oetinger, Goodgame Studios und Mutabor? -

Seit dem Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr 2020 wanderten Fachkräfte aus der Kreativwirtschaft in vermeintlich sicherere Branchen ab, etwa im Veranstaltungsbereich. Wie ging es Ihrem Unternehmen in dieser Zeit?

Dera, Oetinger: Uns hat die Pandemie zum Glück nicht so hart getroffen. Kinder- und Jugendbücher wurden weiterhin stark nachgefragt, was auch dazu führte, dass wir 2020 beim Umsatz rund elf Prozent zulegen konnten. Allerdings konnten wir beobachten, dass es Neuerscheinungen schwerer hatten, überhaupt wahrgenommen zu werden, weil die Präsentation im Buchhandel gefehlt hat. Auf unsere Klassiker wie zum Beispiel Astrid Lindgren oder die Tribute von Panem wurde in der Zeit gerne und viel zurückgegriffen, was uns natürlich geholfen hat. Was wir aber bis heute stark spüren, ist die Papier- und Logistikkrise – seitdem ist nichts mehr längerfristig planbar. Auch die Auswirkungen des Ukrainekrieges beziehungsweise die wirtschaftliche Gesamtsituation, inklusive steigender Energiepreise und Konsumflaute schlagen sich nieder, wie man auch in der Gesamtbetrachtung des Buchmarktes sieht.

Zu den Personen

Simon Guenther fühlt sich am Meer und im Personalwesen zuhause. Aufgewachsen an der Ostseeküste, zieht sich die Wassernähe durch seinen Lebenslauf: Auf Kiel folgten Tallinn, die australische Küste – und schließlich Hamburg. 2013 stieg er für drei Jahre bei Goodgame Studios als Personaler ein und kam im Sommer 2022 als Head of Talent Acquisitions zurück ins Unternehmen. Goodgame Studios ist mit mehr als 500 Millionen registrierten Nutzer*innen weltweit ein führendes Unternehmen für die Entwicklung von Free-to-Play-Online-Spielen für Web- und Mobilplattformen.

Wo bleiben die Leute, Oetinger, Goodgame Studios und Mutabor? -

Simon Guenther

Head of Talent Acquisitions bei Goodgame Studios

„We help companies that say: I’m going to change“, so die Vision der 360-Grad-Designagentur und Markenberatung MUTABOR, für die Julia Peukert als Head of Organisation & People tätig ist. Als ehemalige Leiterin der Art-Buying-Abteilung kennt sie den Willen zur Veränderung: Nach drei Jahren in der Position machte sie sich selbstständig und absolvierte ihr Studium der Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Wuppertal. 2019 wurde sie Head of Human Ressources bei hartmannvonsiebenthal in Berlin, dann Leiterin der Talentgewinnung bei der Berliner Kommunikationsagentur familie redlich. Seit August 2022 ist die heute 48-jährige Berlinerin zurück bei MUTABOR.

Wo bleiben die Leute, Oetinger, Goodgame Studios und Mutabor? -

Julia Peukert

Head of Organisation & People bei MUTABOR

Susanne Dera ist motiviert, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Fähigkeiten bestmöglich zu nutzen. Als Leiterin diverser Personalabteilungen in der Kreativindustrie und systemische Coachin tut sie das seit mehr als 16 Jahren. Bevor sie 2021 als Head of People & Culture in die Verlagsgruppe Oetinger kam, die auf Kinder- und Jugendbücher spezialisiert ist, verantwortete sie Teams in der Games-Branche und in verschiedenen Agenturen. Über fünf Jahre war sie zuletzt als Director People & Culture bei der Kreativagentur Kolle Rebbe, jetzt Accenture Song, tätig.

Wo bleiben die Leute, Oetinger, Goodgame Studios und Mutabor? -

Susanne Dera

Peukert, MUTABOR: Viele Unternehmen haben die Zeit genutzt, um ihre Marke zu transformieren und gestärkt aus der Krise durchzustarten. Mit unserem Schwerpunkt auf Markenentwicklung, ganzheitlicher Kommunikationsberatung und Digitalisierung sind wir da natürlich ein attraktiver Partner. Das Business rund um „Kommunikation im Raum“ ist nach Ende der Krise wieder eine stabile Säule, aber durch den Megatrend „Hybridisierung“ verfolgen wir hier jetzt ganz neue Ziele. Unsere Auftragsbücher sind super voll und darüber freuen wir uns.

„Die Branche hat eine echte Hochkonjunktur erlebt, weil viele Menschen auf der Suche nach Unterhaltung und Ablenkung zu Videospielen gegriffen haben.“

Simon Timo Guenther, Goodgame Studios

Guenther, Goodgame Studios: Die gesamte Gaming-Industrie hat eine unglaubliche Transformation durchgemacht. Die Branche hat eine echte Hochkonjunktur erlebt, weil viele Menschen auf der Suche nach Unterhaltung und Ablenkung zu Videospielen gegriffen haben. Den Trend haben auch wir beobachten können und einen Anstieg aktiver Spielender wahrgenommen. Natürlich mussten wir uns als Unternehmen aber auch an die neue Realität anpassen, das heißt: mehr Möglichkeiten für Remote-Arbeit und virtuelle Zusammenarbeit. Was die Nachfrage, auch nach Corona, angeht, sieht die Zukunft glücklicherweise weiterhin vielversprechend aus.

Heißt das auch, dass Ihre Mitarbeitenden geblieben sind?

Guenther: Es gab bei uns keine pandemiebedingte Fluktuation. Bei Goodgame Studios bemühen wir uns schon seit längerer Zeit, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich kreative Köpfe so frei wie möglich ausleben können – um sicherzustellen, dass sie bleiben.

Dera: Wir können das auch nicht beobachten. Wir haben nach wie vor eine niedrige Fluktuation. Natürlich gibt es immer mal Mitarbeitende, die sich für eine andere Herausforderung entscheiden, aber wir beobachten nicht, dass sie in eine andere Branche wechseln. Es ist bei uns auch nicht so, dass vorrangig bestimmte Berufsgruppen das Unternehmen verlassen. Ein Beispiel: In der Werbung orientieren sich zum Beispiel viele Produktioner*innen um, weil immer weniger Printanzeigen produziert werden. Das ist bei uns anders, da das Buch nach wie vor unser Kerngeschäft ist. Aber natürlich spüren auch wir den Fachkräftemangel. Bereits vor der Pandemie haben wir aus strategischen Gründen unsere Produktpalette immer mehr erweitert und entwickeln zunehmend auch digitale und hybride Produkte. Deshalb brauchen wir Menschen, die Knowhow in diesen Bereichen mitbringen wie zum Beispiel E-Commerce, SEO, Content Management und UI/UX.

„Potentielle Bewerber*innen suchen verstärkt nach Unternehmen, die Ihnen eine langfristige Perspektive, Sicherheit und eine gute Work-Life-Balance bieten. Alles Eigenschaften, bei denen einem nicht sofort die Agenturbranche in den Sinn kommt.“

Julia Peukert, Mutabor

Peukert: Wir spüren den Fachkräftemangel seit der Pandemie auch, gerade im Bereich Beratung, Projektmanagement und Strategie. Potentielle Bewerber*innen suchen verstärkt nach Unternehmen, die Ihnen eine langfristige Perspektive, Sicherheit und eine gute Work-Life-Balance bieten. Alles Eigenschaften, bei denen einem nicht sofort die Agenturbranche in den Sinn kommt. Auch die Frage nach dem Sinn der Arbeit ist seit der Pandemie noch wichtiger geworden. Auf diese Themen müssen Agenturen verstärkt eine Antwort finden. Wir tun das auf verschiedenen Ebenen: eine großzügige Urlaubsregelung, die Möglichkeit, zeitlich und räumlich flexibel zu arbeiten, 30 Tage Workation im Jahr. Und wir bemühen uns, Überstunden zeitnah mit Freizeit auszugleichen. Darüber hinaus versuchen wir, alle Mitarbeitenden bestmöglich in ihrer persönlichen Entwicklung zu fördern – über regelmäßige Feedbackgespräche, über unsere eigene Mutabor Academy und durch regelmäßige Rückblicke mit dem gesamten Team. Es ist uns wichtig, dass wir die Mitarbeitenden aktiv in die Gestaltung ihrer Arbeit und unserer Unternehmenskultur einbeziehen.

Und wie erreichen Sie den Nachwuchs?

Dera: Die Krux liegt für uns darin, dass wir bei den Fachkräften, die uns fehlen, noch nicht als „selbstverständlicher“ Arbeitgeber auf der Agenda stehen. Bei uns bewerben sich nach wie vor viele Lektor*innen, aber digitale Produktmanager*innen nicht unbedingt. Wir suchen in dem Bereich allerdings vor allem Crewmitglieder auf Senior-Level. Was den Nachwuchs angeht, setzen wir viel auf Kooperationen mit Hochschulen und nutzen verstärkt unsere Social-Media-Kanäle. Die Erfahrung zeigt, dass Karrieremessen für uns nicht das Mittel der Wahl sind. Es bringt viel mehr, sich in den einschlägigen Branchennetzwerken zu engagieren. Einige Hochschulen bieten zum Beispiel Speeddating für Nachwuchskandidat*innen an, was wir sehr gerne nutzen. Hier lernen wir immer wieder spannende Talente für ein Pflichtpraktikum oder auch den direkten Einstieg als Junior kennen. Das bietet den Raum, uns als Arbeitgeber anfassbar zu machen und wir finden im Dialog mit den Kandidat*innen heraus: Passen wir zusammen?

„Die Krux liegt bei uns darin, dass wir bei den Digital-Fachkräften, die uns fehlen, noch nicht zwingend als logischer Arbeitgeber auf der Agenda stehen.“

Susanne Dera, Oetinger

Guenther: Bei uns ist Fachkräftemangel tatsächlich kein großes Thema. Grundsätzlich ist der Rekrutierungsprozess aber auch für uns eine Herausforderung, da wir mit vielen anderen kreativen Unternehmen konkurrieren. Ein Vorteil für uns ist allerdings, dass viele junge Menschen Lust haben, in der Gaming-Industrie zu arbeiten. Wir kooperieren auch mit Universitäten und Hochschulen, sind auf Online-Netzwerken und Jobbörsen aktiv und bieten intern ein Employee-Referral-Programm. Was wir beobachten, ist, dass sich die Wünsche der Bewerber*innen in den letzten Jahren geändert haben: Themen wie Work-Life-Balance, Diversität und Inklusion sind in den Vordergrund gerückt.

„Die jüngere Generation ist sehr selbstbewusst und schaut sich ihre zukünftigen Arbeitgeber genau an.“

Julia Peukert, Mutabor

Peukert: Das kann ich bestätigen. Die jüngere Generation ist sehr selbstbewusst und schaut sich ihre zukünftigen Arbeitgeber genau an. Für uns ist es deshalb sehr wichtig, früh mit den Studierenden und Auszubildenden in Kontakt zu kommen. Wir setzen stark auf Kooperationen mit Hochschulen – wir halten Vorträge, geben Seminare und laden zu uns in die Agentur ein. Außerdem bieten wir in allen Units regelmäßig Praktika und Werkstudierendenstellen an. Das hat sich sehr bewährt: Bei uns werden viele direkt nach dem Abschluss ihres Studiums in eine Festanstellung übernommen. Seit letztem Jahr sind wir auch Praxispartner der dualen Hochschule HSBA in Hamburg – eine Entscheidung, mit der wir sehr zufrieden sind!

Mehr zum Thema

Wir verwenden Cookies, um externe Inhalte anzeigen zu können. Sie können unter “Einstellungen” der Erhebung von Nutzerdaten widersprechen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Wir verwenden Cookies, um externe Inhalte anzeigen zu können. Sie können unter “Einstellungen” der Erhebung von Nutzerdaten widersprechen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Ihre Einstellungen wurden gespeichert