Wie 6 Hamburger Kreativunternehmen von KI profitieren
Sechs Expert*innen geben einen aktuellen Einblick in ihre tägliche Arbeit mit KI-gestützten Technologien – und wagen eine Prognose.
Sechs Expert*innen geben einen aktuellen Einblick in ihre tägliche Arbeit mit KI-gestützten Technologien – und wagen eine Prognose.
Künstliche Intelligenz leitet einen Umbruch in der Kreativwirtschaft ein – den die Hamburg Kreativ Gesellschaft im vergangenen Jahr intensiv begleitet hat. Diese sechs Expert*innen waren mit dabei und geben Einblicke in KI-gestützte Arbeitsroutinen.
Markus Dömer: Aktuell setzen wir generative KI in Bereichen ein, die nicht unser Verlagskernprodukt betreffen, wie zum Beispiel im Marketing für diverse wiederkehrende Kommunikationsanforderungen, natürlich unter Wahrung des für Carlsen typischen Kommunikationsstils. Einige Mitarbeiter*innen nutzen generative KI zur Effizienzsteigerung in ihrem Arbeitsalltag, etwa beim Verfassen ihrer Korrespondenz (inkl. Übersetzung) aber auch als Inspirationsquelle für andere Texte.
Thomas Lehr: Wir haben KI bereits in viele unserer Arbeitsabläufe und Produktionsschritte integriert. Unsere Game Designers nutzen generative KI für ihre kreativen Prozesse, unsere Artists für die Erstellung von Konzepten und Illustrationen und den Engineers ist sie eine wertvolle Helferin beim Schreiben von Code. Aktuell experimentieren wir zunehmend mit der Verknüpfung der KI mit eigenen Daten, um sie für unsere Anwendungsfälle weiter zu spezialisieren. Nicht nur unsere Produktivität, sondern auch die Qualität unserer Ergebnisse nimmt dabei spürbar zu.
Wenn es bei der Kreativ Gesellschaft um Innovationen geht, ist Markus Dömer mit von der Partie. Carlsen ist unter anderem Partner im neuen Innovationsraum SPACE und hat sich im letzten Prototyping Lab intensiv mit den Potenzialen von KI für Verlagshäuser beschäftigt.
Die Gamesbranche ist Vorreiter in Sachen KI. Thomas Lehr diskutierte 2023 beim Games Compass Event von Gamecity zu aktuellen Cases für Spieleentwickler*innen.
Eduardo Garcia: Wir setzen unsere Voice KI täglich ein. Dafür synthetisieren wir Originalstimmen, die – ganz wichtig – vor der Synthese ihr Einverständnis für eine ganz explizite Verwendung geben. Natürlich werden die Stimmen dafür auch bezahlt. Die Chefredakteurin eines tagesaktuellen Nachrichtenformats freut sich, dass sie nicht mehr jeden Tag ins Studio kommen muss. Bei der Produktion von Cornelias Funke ,Tintenherz 4’ haben wir an einigen Stellen mit der synthetisierten Stimme des Original- sprechers gearbeitet, weil das Skript kurzfristig geändert wurde und der Sprecher im Urlaub war.
Sara Egetemeyr: KI ist das Herzstück unserer Lösung zur Hatespeech-Erkennung. Mit unseren Algorithmen klassifizieren und filtern wir Nachrichten auf Hass und Hetze hin und finden potenziell justiziable Inhalte. Da wir es dabei mit großen Datenmengen zu tun haben, ist das ein perfekt geeigneter Use Case für KI.
Mit KI gegen Hass im Netz: Sara Egetemeyr entwickelte 2023 im Inkubator Media Lift ihr Start-up weiter. Im Programm wurde sie umfassend mit finanzieller Förderung, Mentorings, Workshops und professionellen Trainings unterstützt.
Eduardo Garcia leitet die Hamburger Audioagentur German Wahnsinn. Bei der Eventreihe KI & Kreativwirtschaft sprach er im SPACE über Tools, die vor allem Audioentwickler*innen kennen müssen.
Benjamin Bertram: Generative KI ist in meiner Arbeit zentral. Ich verwende täglich ChatGPT für vielfältige Textaufgaben von Coding über Brainstorming bis hin zur Ideenentwicklung, Texterstellung und Korrektur. GPTs dienen zur Prozessautomatisierung und als externes Gedächtnis für kontextbezogene Antworten. Bei der Analyse von YouTube-Videos und Texten hilft mir ChatGPT, wichtige Inhalte schnell zu erfassen. In der Bildgestaltung setze ich auf Dall-E, Midjourney und Stable Diffusion – von der Ideenfindung bis zur Nachbearbeitung. Diese Tools steigern meine Effizienz und ermöglichen eine Spezialisierung auf kundenorientierte Lösungen.
Abdelkader Barjiji: Wir setzen uns auf operativer Ebene intensiv mit KI-Technologien auseinander und beurteilen für unsere Geschäftsfelder die Anwendungsmöglichkeiten. Wir nutzen sie beispielsweise bereits für Kundenanfragen in der digitalen Außenwerbung, zur Überprüfung von Kampagnenmotiven und bei unserer Produktentwicklung. Wir bieten Kund*innen echte, treffsichere und 100 Prozent datenschutzkonforme AI-Targetingprodukte für Performance- und Brandingkampagnen an und nutzen KI und Machine Learning aktiv in unserem AdStack für Yield- Maximierung und Kampagnenoptimierung.
Am Media-Konzern Ströer kommt man im Stadtbild nicht vorbei – Außenwerbung ist Kernkompetenz. Im Innovationsraum SPACE ist Ströer seit 2023 Partner, für den Medien-Nachwuchs ließ das Unternehmen bei der City of Content Tour hinter die Kulissen blicken.
Vom Illustrator zum KI-Kurator: Benjamin Bertram hat mit cogniwerk eine Plattform geschaffen, die KI- Tools zugänglicher machen will. Bei der Eventreihe KI & Kreativwirtschaft sprach er – klar – über Tools, im Design Zentrum gab er 2023 einen Workshop für Gestalter*innen.
Markus Dömer: KI wird mittelfristig alle Stufen unserer Wertschöpfung prägen. Im Moment sehen wir besonders große Vorteile darin, Abläufe effizienter zu gestalten. Zum Beispiel indem wir Informationen aus ver- schiedenen Quellen schnell analysieren oder Daten für unsere Produktdatenbanken automatisch generieren und erfassen. KI-basierte Data-Discovery-Technologie könnte perspektivisch ein wichtiger Baustein für Umsatzsteigerungen werden.
Thomas Lehr: Die Investitionen in KI sind bereits enorm und steigen laufend weiter, die Modelle verbessern sich zunehmend und die Berechnungen werden immer schneller. Es ist aus unserer Sicht wahrscheinlich, dass wir schon bald eine Verdopplung der KI-Fähigkeiten sehen werden. Diese Verdopplung kann über die nächsten Jahre sogar mehrfach erfolgen. Voraussichtlich wird es zunächst viele neue Spiele geben, die andere Spiele nachahmen, da dies immer einfacher wird. Im nächsten Schritt werden wir aber auch zahlreiche neue Spieleideen und auch eine höhere Qualität sehen.
Eduardo Garcia: Der Einsatz von KI in der Bearbeitung und Verarbeitung von hochwertigen und umfangreichen Audioinhalten erleichtert und beschleunigt schon jetzt die Produktion und ermöglicht eine immer kosten- effizientere, konsistentere Kommunikation über verschiedene Plattformen hinweg. Ich kann mir vorstellen, dass sich der Workflow in Synchronstudios oder bei auditiven Nachrichtenformaten, aber auch in der Musikpro- duktion grundlegend ändern wird. Der zunehmende Einsatz von KI-generierten Inhalten bringt aber auch eine gewisse Konformität mit sich. Vor allem spielt bei der Rezeption nicht nur die Musik oder Sprache selbst eine Rolle, sondern auch die Persönlichkeit der jeweiligen Künstler*innen. Daher bin ich zuversichtlich, dass die menschliche Komponente und die Qualität der Musik auch in Zukunft relevant bleiben werden. Hoffentlich ...
Sara Egetemeyr: KI wird viele repetitive Tasks automatisieren und dabei helfen, mit einer anderen Perspektive Muster zu finden. KI gleicht dabei einem Mitarbeitenden mit einem anderen Wahrnehmungsfilter. Das machen wir uns zunutze, um die sich rasant verändernden Ausdrucksformen von Hatespeech aufzuspüren. Man sollte KI aber nicht überschätzen – und vor allem die Gefahr von Voreingenommenheit (Bias) ernst nehmen.
Benjamin Bertram: Die Branche wird bereits heute umgekrempelt, wenn KI-generierte Illustrationen zur Konkurrenz werden. Das spiegelt sich auch in den derzeitigen Copyright-Klagen wider. Illustrator*innen brauchen mehr Erfahrung mit KI-Tools und Aufklärung, um sich anzupassen. KI birgt große Chancen, erfordert jedoch auch bewusste Auseinandersetzung mit den Herausforderungen.
Abdelkader Barjiji: KI kann branchenübergreifend Arbeitsprozesse effizienter gestalten, um nachhaltiger zu wirtschaften und Emissionen zu reduzieren. Sie kann Mitarbeitende von zeitraubenden Aufgaben entlasten, sodass sie mehr freie Ressourcen für Tätigkeiten haben, die für das Team unverzichtbar sind. Klar ist: Die Frage, wo und wie KI am sinnvollsten eingesetzt werden kann, wird ein wichtiger Teil unserer Arbeit sein.