„Eine KI, die gut funktioniert, heißt einfach nur Software"
KI & Co-Creation: Sechs Insights, die Kreative jetzt kennen müssen.
KI & Co-Creation: Sechs Insights, die Kreative jetzt kennen müssen.
Es sind die Chancen, die rund 200 Neugierige an diesem sonnigen Dienstag ins Design Zentrum Hamburg locken, nicht die Herausforderungen. Wie können Kreative Künstliche Intelligenz (KI), oder – wie man gleich zu Anfang lernt – „Augmented Intelligence“ für sich nutzen? Was müssen sie mitbringen, um aus den rasanten Entwicklungen als resiliente Gewinner*innen hervorzugehen und nicht von den diversen Software-Tools verschluckt zu werden, die in den letzten Monaten die Online-Welt fluten?
Dr. Peter Kabel, Jovanka von Wilsdorf und Boris Eldagsen haben Antworten. Als Speaker*innen des Abends bringen sie nicht nur überraschende Perspektiven und die neuesten Entwicklungen mit, sondern machen mit der Weise, wie sie schon jetzt erfolgreich mit KI arbeiten, vor allem eins: Lust auf diese Veränderung. Hier sind die sechs wichtigsten Erkenntnisse, die Kreative an diesem Abend mit nach Hause – und in ihre berufliche Zukunft – nehmen.
Während sich über bildgenerierende Tools, die mitunter groteske Ergebnisse produzieren, echauffiert wird, bezeichnen wohl die wenigsten User*innen eine schnelle Googleanfrage noch als einen KI-basierten Service. Wer von A nach B kommen möchte, nutzt einfach seine Navigationsapp, keine künstliche Intelligenz. Was heute noch KI genannt wird, heißt bald nur noch Software oder Tool. Dieses Label nimmt Berührungsängste – oder scheuen Kreative heute noch davor zurück, DeepL zu benutzen oder individualisierte Ads zu schalten?
Möchten Kreative weiterhin Teil ihrer Branche sein, müssen sie komplexe Arbeit verrichten, die sich nicht von KI ersetzen lässt. Sie organisieren künftig den Input – also zum Beispiel die richtigen Prompts für Bild-Software, die richtigen Fragen an Chat GPT – und bewerten den Output. Die entscheidende Trias für das Anforderungsprofil der Zukunft: Attitude, Know-how und Tools. Attitude bedeutet, sich wissbegierig und mit schneller Auffassungsgabe auf den Prozess einzulassen und mit Stilsicherheit die Ergebnisse zu bewerten. Know-how umfasst einerseits technische Skills, andererseits auch Faktoren wie referenzielles Wissen (s. Punkt 6), Social Skills und die Fähigkeit zur Informationsorganisation. Zu guter Letzt sollten Kreative nicht nur Tools kennen und beherrschen, sondern auch lernen, die verschiedenen Softwares, die heute meist noch „One Trick Ponies“ sind, smart miteinander zu verknüpfen. Denn gerade durch die Kombination verschiedener autarker Tools wird kreativer Mehrwert geschaffen, der so manche Arbeitsschritte der Vergangenheit angehören lassen – aber eben nicht die eigenen.
Für Inhalte, die mit KI generiert werden, braucht es heute keine Supercomputer mehr. Vielmehr sind es Smartphone-Displays, die gestochen scharf die Ergebnisse eigens produzierter Inhalte anzeigen. Die Producer*innen sind dabei heute meist keine ausgebildeten Journalist*innen, Fotografierende oder Mediengestalter*innen mehr, sondern neugierige Amateur*innen, die sich auf Plattformen wie TikTok mithilfe von KI austoben. Doch wie damals, als die ersten computerbasierten Schreib- und Gestaltungsprogramme es „auch dem Tennisverein von nebenan ermöglichten, ein eigenes Magazin zu gestalten“, wie Dr. Peter Kabel es formuliert, wird diese Entwicklung den kreativen Prozess beflügeln. Schon mit Einführung des „Aldus PageMakers“ fielen zwar einige Jobs, zum Beispiel von Textsetzer*innen, weg, neue Berufsfelder und -möglichkeiten brachten jedoch ein Umdenken in den gestalterischen Prozess, so Kabel. Und Mediendesigner*innen gibt es bis heute.
Erfahrene Kreative sind im Umgang mit KI-Anwendungen im Vorteil, denn sie bringen viele Eigenschaften mit, die für die Arbeitsprofile der Zukunft entscheidend sind: Erfahrung. Referenzielles Wissen. Social Skills. Denn es ist der über Jahre gewachsene Wissensschatz, der künftig KI-basierte Software im Input bereichert und vor allem die Güte des Outputs bestimmt. Wem beim Schreiben von Prompts zum Thema „Pop Art“ mehr als „Andy Warhol“ einfällt, der meistert durch sein Wissen die Black Box von Augmented Intelligence und kreiert Content, der überzeugt. Und wer schon hunderte Texte gelesen oder Designs gesehen hat, weiß, welcher Output wirklich gut ist – und dieses Gespür kann KI dem kreativen Kopf auch in Zukunft nicht nehmen
Die Möglichkeiten von KI-basierter Content-Kreation wachsen jeden Tag – und mit ihr die Chancen, dieses Potential in die eigene Arbeit fließen zu lassen. Hört man Jovanka von Wilsdorf und Boris Eldagsen über ihre musikalischen und fotografischen Arbeiten sprechen, nehmen sie KI als ebenbürtige Partnerin im kreativen Prozess ernst. „Die Frage ist nicht, wie kreativ wir die KI mit unserem Input machen, sondern, wie kreativ uns die KI macht“, sagt Wilsdorf. Ob ihr DJ-Set mit dem Roboter Sophia oder Eldagsens Einreichung eines KI-generierten Fotos beim Internationalen Fotowettbewerb von Sony: Diese Kreativen nehmen Möglichkeiten der KI ernst, widmen sich den Chancen mit Neugierde und lassen sich prozesshaft von ihnen inspirieren. Dabei starten sie mit einer Vision, aber ohne fixe Anleitung. Augmented Intelligence ist bei ihnen aber genau das: erweiterte Intelligenz – ein Verlängerungsarm beim Griff nach der eigenen Vision.
Eine falsche Zeile im Prompt und alles ist kaputt? Der Beginn, mit einem KI-Tool zu arbeiten, kann von Zurückhaltung oder der Angst, etwas falsch zu machen, geprägt sein. Doch die Devise lautet Trial and Error! Das macht Boris Eldagsen durch ein einfaches Beispiel deutlich: Er zeigt eindrückliche Bilder, die durch einen – dicke Daumen und kleines Handydisplay verursachten – Tippfehler entstanden. Statt „Genre“ gab der Foto- und Videokünstler „Gnere“ in seinen Prompt ein. Die Folge: völlig neue Bildwelten, die dem Künstler fast noch besser gefielen als der intendierte Output. Wichtig ist, sich den Tools ergebnisoffen zu nähern. Und sonst gibt es immer noch die Tastenkombi Strg. + Z.