Initiativen derHamburg Kreativ Gesellschaft

Vielfalt ist ein Kinderspiel: David Amoateng produziert faire Diversity-Puppen

David Amoateng wollte seiner Nichte keine weiße Puppe schenken. Aber Alternativen fand er in Deutschland keine. Die Marktlücke schließt der Hamburger Gründer jetzt selbst – und bringt mit Unterstützung der Hamburg Kreativ Gesellschaft mehr Vielfalt ins Kinderzimmer.

Vielfalt ist ein Kinderspiel: David Amoateng produziert faire Diversity-Puppen -

Auf dem Rücksitz des alten Renaults sitzen Henry, Mira und Kwame. Vorne schiebt David Amoateng ein Tape in den Kassettenrekorder seines Kleinwagens und schlägt zum Beat einen großen Bogen. Wie aus einem Einkaufsbummel eine Geschäftsidee wurde. Und wie die drei Puppen auf dem Rücksitz alles zusammenbringen: Seinen Gründergeist, den Familienbezug nach Ghana und den Wunsch, das Aufwachsen von Kindern auf der ganzen Welt zu verbessern.

„Puppen in Deutschland sind fast alle weiß. Und in die wenigen Puppen mit anderer Hautfarbe sind jede Menge Stereotype vernäht.“

Also ganz von Anfang an: Als gelernter Sozialökonom und ohne Kinder hatte David Amoateng eigentlich wenig mit dem deutschen Spielzeugmarkt zu tun. Das ändert sich mit der Geburt seiner ersten Nichte. „Ich wollte ihr einfach eine Puppe schenken“, sagt er auf dem Weg aus dem Hamburger Innenstadtverkehr. Eine, mit der sie sich identifizieren kann, die aus Biostoffen besteht und fair hergestellt ist. Eine, die sie nicht nur ein paar Jahre, sondern am besten ihr ganzes Leben lang begleiten soll. Doch schon nach kurzer Recherche stellt David fest: Das ist schwieriger als erwartet. Denn Puppen in Deutschland sind fast alle weiß. Und in die wenigen Puppen mit anderer Hautfarbe sind jede Menge Stereotype vernäht. Fündig wurde David Amoateng erst in Amsterdam – und mit dem Kauf trat an die Stelle leiser Empörung das Gefühl, dass in dem Ärgernis doch eine Chance steckt. „Das war der Startpunkt für Little Ashé.“

Puppen mit Identifikationspotenzial: David hält seine Idee in den Armen.
Puppen mit Identifikationspotenzial: David hält seine Idee in den Armen.
Mehr als hundert Arbeitsschritte stecken in der Herstellung einer Puppe.
Mehr als hundert Arbeitsschritte stecken in der Herstellung einer Puppe.

Auf unserer Fahrt Richtung Nordsee bricht die Januarsonne durch die Wolkendecke. „Als Erstes habe ich einen Puppenworkshop bei einer Designerin gemacht, um ein Gefühl für die Komplexität zu bekommen“, sagt David Amoateng. Mehr als hundert Arbeitsschritte stecken in der Herstellung einer Puppe. „Gemeinsam mit unserer Produktdesignerin Sue Göldner, die seit Tag eins mit dabei ist, habe ich dann unsere Designs und Schnittmuster ausgearbeitet.“ Mit dem ersten Exemplar machte er sich auf die Suche nach einem Herstellungspartner – unter anderem in Ghana, dem Geburtsland seines Vaters. Die Näherei, die er sich wünschte, sollte Manufakturcharakter haben, Qualität und Handarbeit in den Puppen schlussendlich erkennbar sein. Zudem müssen Kinderprodukte, die auf dem europäischen Markt verkauft werden, hohe Standards und Richtlinien erfüllen. Da er keinen geeigneten Betrieb fand, gründete er mit seinem Studienfreund und heutigen Geschäftspartner Gideon Frimpong Baah, den er in China kennengelernt hatte, kurzerhand in Ghana selbst zwei Schneiderei-Standorte. Gut zwanzig Mitarbeiterinnen sind heute an der Umsetzung von Little-Ashé-Produkten beteiligt, unter fairen Arbeitsbedingungen und Gehältern, wie David Amoateng sagt.

Puppen, die den Ozean überqueren

Wenn eine Charge fertig ist, wird sie verpackt und erreicht nach einer Ozeanüberquerung die norddeutsche Kleinstadt Meldorf. Alle paar Wochen schaut David Amoateng dort vorbei, so wie heute. Die Puppen lagern in einem großen Regal in einer geräumigen Halle, sortiert nach Produktnamen. Wir entleeren einen der Plastiksäcke auf dem Tisch. Henry, Mira und ihre Zeitgenoss*innen blicken uns etwas verschmitzt von der Seite an – eine bewusste Designentscheidung, wie David Amoateng erklärt. „Ich habe mich mit vielen Familien unterhalten, die Puppen eher gruselig fanden. Ihre Augen starren immer geradeaus, mitten in die Seele. Das wollten wir anders machen.“ Außerdem werden im Herstellungsprozess auch Hände und Füße der Puppen abgesteckt, so können Kinder spielerisch lernen, Finger und Zehen zu zählen.

Der verschmitzte Seitenblick ist Teil von David Amoatengs Konzept.
Der verschmitzte Seitenblick ist Teil von David Amoatengs Konzept.
Die Puppen werden in Ghana – unter fairen Bedingungen – produziert und nach Meldorf versandt.
Die Puppen werden in Ghana – unter fairen Bedingungen – produziert und nach Meldorf versandt.

Heute sitzen seine Puppen nicht nur auf dem Autorücksitz, sondern zum Beispiel auch bei La Tribune Noire, einem Shop in Hamburgs Kreativplaneten Jupiter. Am wichtigsten ist für Amoateng aber der Direktvertrieb. Die meisten Kund*innen kaufen über den Onlineshop. „Um unseren Onlineauftritt zu stärken, haben wir 2022 an der Creative Business Academy und der Storytelling-Förderung teilgenommen“, sagt David Amoateng. Die Kommunikationsexpertinnen Djenna Wehenpool und Eva Dietrich erarbeiteten mit dem Team eine Markenstory, die einfach und klar die Idee hinter Little Ashé vermittelt.

„Bis heute profitieren wir von einem riesigen Netzwerk, durch das nicht nur tolle Verbindungen, sondern auch Freundschaften entstanden sind.“

„Innerhalb der Programme konnten wir unsere Website überarbeiten, Fotoshootings organisieren, an spannenden Workshops teilnehmen und haben zusätzlich eine hilfreiche Guideline an die Hand bekommen. Die Teilnahme an allen Programmen war angenehm barrierefrei. Als kreative Person möchte ich mich nicht mit Bürokratie herumschlagen, sondern nützliche Werkzeuge an die Hand bekommen. Werkzeuge, die ich dann später auch allein nutzen kann.“

So gehts weiter: Little Ashé weltweit

Die Puppengeschwister von Henry, Mira und Kwame werden in Meldorf von Mitarbeitenden der Stiftung Mensch im Eescher Weg geprüft, einzeln verpackt und für den Weiterversand vorbereitet. Anders als am Anfang, wie sich David Amoateng erinnert: Die ersten Pakete verschnürte er noch im eigenen Wohnzimmer. Bei den nächsten Schritten unterstützt ihn nun ein breites Netzwerk: die vielen Verbindungen aus der Creative Business Academy. „Bis heute profitieren wir von einem riesigen Netzwerk, durch das nicht nur tolle Verbindungen, sondern auch Freundschaften entstanden sind.“

Der Begriff „Ashé“ stammt aus der Sprache Yoruba, die 30 Millionen Menschen in Westafrika sprechen. Der Ausdruck bedeutet, Dinge möglich zu machen und so für eine Veränderung zu sorgen. Ein Name, der sinnbildlich für den Weg des Unternehmens steht – denn das soll sich immer weiterentwickeln. Neben dem Ausbau des Teams in Deutschland sollen auch die Betriebe in Ghana weiterwachsen. In Zukunft plant das Team, auch eine Schneiderschule aufzubauen, die es Frauen ermöglicht, eigenverantwortlicher leben und arbeiten zu können.

Das große Ziel: „Mit Little Ashé das Steiff für Puppen werden.“ Den Puppenmarkt revolutionieren. Und das nicht nur in Europa, sondern auch auf anderen Kontinenten. Damit noch viele weitere Kinder, ganz gleich welcher Hautfarbe, in ihrem Spielzeug echte Wegbegleiter finden.

Zur Person

Dass David Amoateng einmal selbstständig arbeiten wollte, wusste er schon immer. Mit Little Ashé räumt der Geschäftsmann aus Neumünster sich die Möglichkeit ein, mit ausgewählten Menschen zusammenzuarbeiten und auch mal „Nein“ sagen zu können. Dabei bleibt er am Boden: Die regelmäßige Strecke zwischen Hamburg und Meldorf bestreitet er mit seiner 20 Jahre alten Emmy, einem Renault. Was ihm an seinem Job am besten gefällt: sein eigener Chef zu sein und sich so abwechslungsreichen Aufgaben widmen zu können.

Vielfalt ist ein Kinderspiel: David Amoateng produziert faire Diversity-Puppen -

David Amoateng

Gründer, Little Ashé

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