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Design in Hamburg: Nachhaltige Weltgestaltung und KI als Wachstumstreiber

Hamburgs Designbranche steckt im Umbruch – Kollegin KI verändert das Arbeitsfeld, insbesondere in der Werbung. Expert*innen sehen Designer künftig als Treiber nachhaltiger Innovation. Ein Branchenüberblick.

Design in Hamburg: Nachhaltige Weltgestaltung und KI als Wachstumstreiber -

Deutschlandweit vorn

Hamburg ist eines der führenden Zentren für Design in Deutschland. Geprägt durch eine internationale Agenturlandschaft hat sich hier ein komplexes Ökosystem aus Studios, Netzwerke und Freelancer*innen gebildet. In keinem anderen Sektor der Hamburger Kreativwirtschaft arbeiten so viele Unternehmen und Solo-Selbständige. Fast jeder dritte Betrieb in der Kreativbranche zählt zum Designmarkt. Insgesamt haben sich 8.242 Unternehmen im Dunstkreis großer Kunden aus Medienbranche, Konsumgüterproduktion und Industrie angesiedelt.

17.185

Menschen arbeiten in Hamburgs Designbranche.*

60,6 %

der Beschäftigten sind Frauen – 11 % mehr als in der Kreativwirtschaft insgesamt.*

8.242

Unternehmen sind Teil der Hamburger Designbranche.*

29 %

der Unternehmen in Hamburgs Kreativbranche werden dem Design zugeordnet.*

1,6 Mrd.

Euro Jahresumsatz*

+27 %

Umsatz von 2011 bis 2021 – 15 % mehr als im bundesweiten Schnitt.*

Unternehmen umfassen Unternehmen mit mehr als 22.000 Euro Jahresumsatz sowie Kleinunternehmen. Erwerbstätige sind sowohl SV-pflichtige als auch geringfügig Beschäftigte Personen, sowie Selbstständige.

*Goldmedia Standortmonitor, nach der Methodik des BMWK Kultur- und Kreativwirtschaft (Stand: 2021)

Design als Wirtschaftsfaktor

„Nach Berlin gehst du, um kreativ zu sein, nach Hamburg, um Geld zu verdienen“ – dass sich dieser Stereotyp so hartnäckig hält, liegt wohl an Hamburgs starker Agenturlandschaft. Zwei Drittel der Umsätze, die im Teilmarkt Design erwirtschaftet werden, stammen aus der Werbegestaltung. Insgesamt liegt der Jahresumsatz der Designbranche laut dem Monitoringbericht KKW der Bundesregierung bei 1,6 Milliarden Euro (2021). Hamburg ist damit deutschlandweit führend vor Berlin.

Die Umbrüche in der Verlagswelt und der Konsumgüterindustrie würden jedoch dazu führen, dass diese Hamburger Schlüsselbranchen an Bedeutung für die Designwirtschaft verlören, sagt Lukas Cottrell. Er ist Managing Partner bei der Peter Schmidt Group, einer der größten Designagenturen in Deutschland mit Sitz in der Hansestadt. „Daher ist es für uns essenziell, nicht nur in Hamburg, sondern auch auf internationalen Märkten starke Beziehungen aufzubauen und zu pflegen.

Mehr als „Schön-Macher“

Wenn von Design die Rede ist, denken viele an Grafik- und Kommunikationsdesign. Wenn das Erscheinungsbild großer Marken sich verändert, mischen oft auch Hamburger Namen mit: Justblue Design gestaltete etwa den Look der Becks-Bier-Flaschen, die Peter Schmidt Group die Rewe-Eigenmarken. Das macht die Marktsegmente Grafik und Kommunikation besonders sichtbar. Auch die meisten Freelancer*innen tummeln hier, viele von ihnen als verlängerte Werkbank von Unternehmen und Agenturen.

„Alle unsere Designentscheidungen basieren auf strategischen, langfristigen Überlegungen und rennen keinen kurzlebigen Trends hinterher.“

Tanja Hildebrandt, Re.Frame

Doch die Designwirtschaft ist deutlich vielfältiger: Dass etwa die Beratungskompetenz von Designer*innen immer relevanter wird, zeigt das Beispiel IBM: Der frühere PC-Hersteller ist heute einer der größten Software-Konzerne der Welt. Impulsgebende für den Wandel sind auch die vielen Designer*innen dort. „Im Produktbereich hat es angefangen, dann kam die Beratung und mittlerweile haben wir Designer in allen Bereichen bis hin zu HR“, sagt Carlo Schulz von IBM in Hamburg. Er ist einer von weltweit mehr als 3.000 ausgebildeten Designer*innen im Unternehmen. Damit dürfte IBM im Wettbewerbsvergleich eine ungewöhnlich hohe „Designer*innen-Dichte“ aufweisen. Schulz selbst arbeitet als „Experience Designer“ bei der Beratungseinheit IBM iX. Dort gestaltet er gemeinsam mit seinen Kund*innen Produkte, Services und Erlebnisse, die „Menschen verbinden“.

Arbeit neu denken

Und wo sollten die Nachwuchstalente der hiesigen Hochschulen wie der HFBK und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) am besten anheuern? Eher bei einer großen oder kleinen Agentur? Oder besser gleich eine Laufbahn als Selbständige starten?

Jesko Fezer, Professor für Experimentelles Design an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK), sieht noch in einem dritten Weg großes Innovationspotential: „Es gibt einen Wandel hin zu interdisziplinären, solidarischen Netzwerken“, sagt er. Das kollektive Gestalten von Auftragsarbeiten und Eigenbeauftragungen biete die Chance, den teils prekären Verhältnissen als Solo-Selbständige zu entkommen, ohne gleich in eine Festanstellung „mit den damit verbundenen Ermüdungserscheinungen“ wechseln zu müssen.

Was bewegt die Designbranche?

Hier sprechen die Expert*innen

„Design und Nachhaltigkeit muss viel stärker als eins gesehen werden. Circular Design ist kein Trend, sondern eine Trendwende.“

Design in Hamburg: Nachhaltige Weltgestaltung und KI als Wachstumstreiber -

Tanja Hildebrandt (Foto: Niklas Marc Heinecke)

Co-Gründerin von Re.Frame

„Hamburg hat die Chance einen interdisziplinäreren und fluideren Designbegriff aufzubauen, der zwischen Produkt, Markt, Stadt, Gesellschaft und Umwelt changiert. Dass Hamburg das kann, beweisen andere Bereiche wie Kunst, Musik und Kultur, die schon extrem stark interdisziplinär arbeiten.“

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Jesko Fezer (Foto: Max Schwarzmann)

Professor für Experimentelles Design an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK)

„So essenziell Circular Design und Eco-Social-Design auch sind und bleiben sollten, die Realität ist, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Designbranche viele Jobs deutlich verändern wird.“

Design in Hamburg: Nachhaltige Weltgestaltung und KI als Wachstumstreiber -

Lukas Cottrell

Managing Partner bei der Peter Schmidt Group

Tanja Hildebrandt ist mit ihrem Studio Re.Frame schon Teil eines solchen Kollektivs. Die Kommunikationsdesignerin sieht Kollektive hinsichtlich Arbeitsweise und Transparenz als eine Art „Gegenpol“ zu den klassischen Agenturen: Entscheidungen werden im Team getroffen, Tagessätze stehen auf der Website. Und irgendwann, so Hildebrandt, soll es noch einen Schritt weiter gehen: Dann will Re.Frame zur Genossenschaft werden.

Soziales, ökologisches Design

Das Verständnis der eigenen Rolle korrespondiert mit einer inhaltlichen Entwicklung – denn der Designbranche wird auch bei der Gestaltung des ökologisch, sozialen und wirtschaftlichen Wandels eine zentrale Rolle zugesprochen. Kultursenator Carsten Brosda etwa bezeichnet Designer*innen als die „Blaupausenbauer unserer Welt von morgen.“ Statt Wegwerfprodukte zu gestalten, spezialisieren sich Hamburger Studios wie Indeed Innovation, Design for Human Nature und Re.Frame auf die Entwicklung nachhaltiger Produkte, Dienstleistungen und Digitalwelten.

„Die wirtschaftliche Transformation birgt eine große Chance für uns“, sagt Tanja Hildebrandt. Über 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produkts hängen laut eines Vorschlag für eine EU-Ökodesign-Verordnung von Designentscheidungen ab. Das Design bestimmt, wie haltbar ein Produkt ist, ob wir es reparieren, nachrüsten und recyceln können. So trifft Kreativität auf Kreislaufwirtschaft und Verhaltensforschung.

Hamburg habe die Chance, einen interdisziplinäreren Designbegriff aufzubauen, sagt auch Professor Fezer. „Die großen und dringlichen ökologischen und sozialen Fragen können Unternehmen nicht allein beantworten“, sagt er. „Daher sehe ich im Design eine große Dynamik weg von Industrie und Markt, hin zu einer Praxis für städtische und gesellschaftliche Akteure wie Stiftungen, NGOs und lokale Institutionen.“

„Designer können sich nicht länger allein auf ihre handwerklichen Fähigkeiten verlassen. Stattdessen muss der Schwerpunkt unserer Arbeit verstärkt auf der strategischen Konzeption und der kreativen Transformation liegen.“

Lukas Cottrell, Peter Schmidt Group

Kollegin KI

Lukas Cottrell von der Peter Schmidt Group sieht die großen Entwicklungen anderswo: „Der revolutionäre Einfluss von KI auf viele Jobs in unserer Branche wird wichtige Transformationsthemen wie Circular Design und Eco-Social-Design in den Schatten stellen“, sagt er. So werde die produktionsnahe Kreativarbeit („Creative Delivery“) in wenigen Jahren weitgehend durch Technologie erledigt werden.

Bei Hamburger Agenturen wie Loved beschäftigen sich schon heute sogenannte „Prompt Artists“ gezielt um Programme wie Midjourney und Dall-E, die durch maschinelles Lernen und Texteingaben Bilder erstellen. So verschwimmen die Grenzen zwischen Design und Programmierung. Daher, so Cottrell, müssten sich Designer*innen verstärkt auf die „strategische Konzeption und die kreative Transformation“ fokussieren, statt sich auf ihre handwerklichen Fähigkeiten zu verlassen.

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