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"Kreativwirtschaft braucht Unternehmertum"

Im Interview erklärt Prof. Elmar Konrad, warum Unternehmertum für Kreativschaffende unverzichtbar ist – und wie die Hochschulausbildung Kreative besser darauf vorbereiten kann.

"Kreativwirtschaft braucht Unternehmertum" -

Prof. Dr. Elmar Konrad kennt die Herausforderungen von angehenden Kreativschaffenden wie kein Zweiter. Am Institut für unternehmerisches Handeln der Hochschule Mainz befasst er sich mit Kulturunternehmertum und Selbständigkeit in der Kreativwirtschaft u.a. auch mit Fokus auf die Finanzierung von Start-ups. Wir haben Prof. Konrad nach seiner Keynote “Die Rolle der Hochschulausbildung für das kreativwirtschaftliche Unternehmertum” auf dem German Creativ Economy Summit getroffen und gefragt, warum sich Kreative mit dem Begriff „Unternehmertum“ so schwertun.

Du hast als Professor für Interdisziplinäres Gründungsmanagement und Kreatives Unternehmertum die erste und einzige fachübergreifende Gründungsprofessur in Rheinland-Pfalz inne. Worum geht es dabei?

Zunächst einmal müssen wir uns eines bewusstmachen: Die Tätigkeitsfelder im Kultursektor und in der Kreativwirtschaft sind denkbar divers, komplex vernetzt und meist eben auch unternehmerisch. Die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen einer Kunstbildhauerin, einer Intendantin oder eines Gaming-Entwicklers sind grundverschieden. Ich konzentriere mich bei meiner Lehre und Forschung auf angehende Freischaffende der Kreativbranche sowie auf kleine Teams, die eine Idee haben und daraus ein Business machen möchten.

Welches Problem möchtet ihr mit eurer Arbeit lösen?

In den meisten Studiengängen der Kreativwirtschaft werden in den Lehrplänen nur selten Inhalte zu betriebswirtschaftlichen Grundlagen vermittelt. Genau da setzen wir an. Wir schulen die Studierenden in diesen Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre. Aber diese Methodenkenntnisse nützen nichts, wenn ihnen nicht auch vermittelt wird, wie und vor allem warum diese für das spätere Berufsleben notwendig sind. Es geht also vornehmlich um Ausbilden von unternehmerischem Denken als wichtige Handlungskompetenz in der kreativen Arbeit. Und so versuchen wir sie auf den Schritt in die Selbständigkeit oder für den anstehenden Gründungsprozess vorzubereiten.

In deinem Vortrag sagtest du „Kreativwirtschaft braucht Unternehmertum“. Was bewegt dich zu dieser Aussage?

Kreativwirtschaft braucht Unternehmertum, weil Kreative meist eben nicht angestellt sind, sondern als Freischaffende oder auch häufig in kleinen Teams selbständig tätig sind. Selbständigkeit, also Unternehmertum, ist in der Kreativwirtschaft die Regel und nicht die Ausnahme. Aber um in diesen Konstellationen erfolgreich zu sein, braucht es neben einer exzellenten, kreativen Leistung, auch ein unternehmerisches Verständnis. Damit meine ich kein reines Fachwissen über Business- oder Finanzpläne, sondern Klarheit über die Frage: Was ist meine kreative Leistung wert? Wodurch und womit kann ich Kunden*innen von meinen kreativen Angeboten, Produkten und Services überzeugen? Und schließlich: Wie gehe ich damit um, dass ich auf der einen Seite kreativ unabhängig tätig sein möchte und auf der anderen Seite aber auch Geld verdienen will, ja muss?

"Die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen einer Kunstbildhauerin, einer Intendantin oder eines Gaming-Entwicklers sind grundverschieden."

Wieso stellt diese Frage viele vor Herausforderungen?

Ich glaube die Auseinandersetzung mit dem Thema fällt schwerer, wenn sie nicht bereits im Studium vermittelt wurde. Unternehmertum und Kreativität sind ja gar kein Widerspruch. Viele werden das aus ihrer eigenen Studienzeit kennen, dass immer noch eine Rivalität zwischen dem Ideal der freien Kunst auf der einen Seite und dem tradierten Bild des freien Marktes, also Gewinnmaximierung durch Angebot und Nachfrage, vorherrscht. Die Rivalität zwischen diesen beiden Anschauungen besteht immer noch recht stark. Das funktioniert aber so nicht mehr. Es braucht einen Kulturwandel. Wir müssen damit aufhören, Unternehmertum und Kreativleistungen voneinander zu trennen, denn diese gehören zusammen. Spätestens bei der ersten Gründung oder beim Einstieg in die Selbstständigkeit wird das vielen bewusst.

Wie sensibilisiert ihr Kreative an der Hochschule für das Thema Unternehmertum?

Was wir unseren Studierenden in den kreativen Studiengängen vermitteln möchten, ist unternehmerische Handlungskompetenz. Nicht allein auf der betriebswirtschaftlichen Ebene, sondern, wie schon gesagt, auch auf der sozial-interaktiven Ebene. Dazu gehört neben der Einschätzung der eigenen Leistung auch die Fähigkeit, sich und die eigene Leistung anderen erklären zu können. Des Weiteren sensibilisieren wir, welche Bedeutung Netzwerke und Kooperationen in der Kreativwirtschaft haben und wie man solche findet, aufbaut, pflegt und nutzen kann. Der Creative Economy Summit ist ja auch ein wichtiges Forum, um Kontakte zu knüpfen und Netzwerke aufzubauen. Das alles hat eine direkte aber auch indirekte Auswirkung auf den Erfolg der eigenen künstlerischen Unternehmung oder des kreativen Startups.

Was ist dein Eindruck: Wie oder wo entstehen die Ideen für die Gründungen?

Die Ideen kommen bei uns an der Hochschule überwiegend aus dem Fachbereich Gestaltung. Da kommen die Ideen her, die wirklich Potenzial haben. Das ist interessant, weil der Irrglaube vorherrscht, dass die meisten Gründungen aus der BWL kommen. Denn in den kreativen Studiengängen werden konkrete innovative Lösungen von gesellschaftlichen Problemen mit gestalterischen Mitteln gefunden und umgesetzt. Interessant wird es aber dann, wenn diese Kreativen mit ihren Produkten zum Beispiel ein Startup gründen möchten und hierfür finanzielle Mittel benötigen. Dann reicht eben kreatives und technisches Knowhow nicht mehr aus, sondern es wird besagte unternehmerische Handlungskompetenz benötigt. Wenn ein Startup Team Investor*innen gewinnen oder einen größeren Bankkredit erhalten möchte, müssen diese unternehmerisch überzeugend erklären können, wo sie mit der Firma hinmöchten, wer die Kund*innen sind, welchen Nutzen diese von dem Produkt haben und dass sich das Investment auch auszahlen wird.

"Viele werden das aus ihrer eigenen Studienzeit kennen, dass immer noch eine Rivalität zwischen dem Ideal der freien Kunst auf der einen Seite und dem tradierten Bild des freien Marktes, also Gewinnmaximierung durch Angebot und Nachfrage, vorherrscht."

Gerade am Ende des Studiums ist das Risiko einer Unternehmensgründung recht niedrig. Ist das den Studierenden auch bewusst?

Ich denke auch, dass der Zeitpunkt gut ist. Und wenn die Idee vielversprechend ist, sollten die Studierenden es unbedingt versuchen. Wir unterstützen sie bei der Abschätzung in diesem Prozess. Wenn die Studierenden eine tolle innovative Idee für eine Unternehmensgründung, also nicht freiberuflich, haben, gibt es auch die Möglichkeit, sich für Gründerstipendien, wie zum Beispiel EXIST zu bewerben. Die Gelder aus dem Stipendium werden allerdings nur ausgezahlt, wenn nachgewiesen werden kann, dass man der Tätigkeit zu 100% nachgeht. Insofern geht der Schritt in die Gründung auch mit Verzicht einher. Das muss den Studierenden bewusst sein und wir versuchen das zu vermitteln. Aber wann wäre das am besten, wenn nicht kurz nach dem Studium? Wenn die Studierenden dann trotzdem den Schritt wagen, dann spricht es oft dafür, dass sie selbst an ihr Produkt und ihrer Idee auch unternehmerisch glauben, und das ist immer ein gutes Zeichen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person

Prof. Dr. Elmar D. Konrad leitet das Institut für unternehmerisches Handeln an der Hochschule Mainz. Er forscht zu kreativem Unternehmertum und engagiert sich in mehreren Netzwerken, Fachzeitschriften und Konferenzen rund um Gründung und Kreativwirtschaft.

"Kreativwirtschaft braucht Unternehmertum" -

Prof. Dr. Elmar D. Konrad

Professor und Institutsleiter, iuh

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